4K einmal anders…

4K einmal anders…

4K ist ein Begriff, der heute in aller Munde ist – und meint meist eine Auflösung, eine Art PS für Computerbildschirme und Fernseher. Ist nicht soo wichtig, klingt aber cool.
Die sogenannten „vier Kompetenzen für das 21. Jahrhundert“: Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und Kritisches Denken“ hingegen rufen nach einer anderen „Auf-Lösung“.

Danny Frischknecht

Seine wir ehrlich; die Digitalisierung unserer Gesellschaft und insbesondere unserer Schule ist auf keinem guten Weg. Ausser, man definiert Digitalisierung so, dass Abläufe technisch optimiert wird, dass analoge Mittel elektronisch umgebaut werden, dass anstelle der „Stöcklirechnungen“ in den Schulen „Lernplattformen“ getreten sind.

Geld macht nicht glücklich

Wir investieren alleine in den Schweizer Schulen Hunderte Millionen jährlich in Infrastruktur. Die Internetanschlüsse von Schulen werden breitbandiger, die internen Netzwerk – Kabel und WLAN – werden aktualisiert und optimiert, Lehrperinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler erhalten mehr und modernere Geräte und die Datenhaltung marschiert in die Cloud. Das sind gute Voraussetzungen dafür, sich über die Digitalisierung von Schule und Unterricht zu unterhalten, noch besser, sie zu machen.

Leider sieht die Realität anders aus. Digitalisierung an Schulen wird weitgehend nicht über die oben erwähnten vier Ks definiert sondern eher über das Büffeln von Vokabeln in webbasierten Lernumgebungen, Recherche statt im Lexikon bei Wikipedia, das Erstellen von PowerPoint-Präsentationen und das Schreiben von Texten mit Word – wobei dann beide Produkte entweder in der Datenablage landen oder gar ausgedruckt und aufgehängt werden. Wir investieren unheimliche Summen in einen Unterricht, der an Qualität kaum zugenommen hat, weil eine Digitalisierung, welche auf den 4 K’s aufbaut, kaum geschieht. Ausgenommen sind hier die Leuchtturmprojekte einzelner Lehrerinnen und Lehrer an ganz wenigen Schulen – da geschehen tatsächlich Dinge, welche wirklich weiterbringen würden.

Nicht nur Viren übertragen sich…

Eine Schwierigkeit bei der Umsetzung ist, dass Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und Kritisches Denken auch im analogen Unterricht zu kurz kommen. Die Ansätze, wie sie in den verschiedensten Reformpädagogiken ende des neunzehnten und anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt wurden, sind längst wieder in den Schubladen verschwunden oder werden „ausgeweidet“ und in den „normalen“ Unterricht übernommen. Beispiele gefällig? Wochenplan als Abhakliste für vorbereitete Lernhäppchen, Projektorientierter Unterricht degradiert zur Postenarbeit oder Demokratische Bildung und Selbstverantwortung delegiert in die Schülervertretung ohne wirkliche Kompetenzen.
Und diese mangelnde Umsetzung der 4 K’s sollen nun erfolgreich digitalisiert werden? Aufbauend auf welchen Kompetenzen und Erfahrungen?

Wohin könnte die Reise denn gehen?

Kreativität; bereits vor dem Schuleintritt müssen Kinder erfahren, dass das, was ihnen wichtig ist, was sie beschäftigt, im Zentrum ihres Lernens stehen darf, sogar muss. Während seiner Schulzeit muss es immer wieder Gefässe geben, in welchen es seine persönlichen Ideen umsetzen kann – losgelöst von Curriculum oder gar Lehrmitteln.

Kollaboration; gemeinsames Arbeiten geschieht heute in Schulen, meist als Partner- und Gruppenarbeiten. In den allermeisten Fällen geht es aber darum, vorgegebene Aufträge zu erledigen. Hier muss eine Tradition der gemeinsamen Problemlösung geschehen – Herausforderungen sollen miteinander bewältigt werden, die wirklich „ergebnisoffen“ sind, sich nicht dauernd an den erwähnten Curricula und Lehrmitteln orientieren. Das echte Leben bietet viel mehr Chancen, als es überfüllte Lehrpläne abzubilden vermögen! Ganz wichtig; Kollaboration muss gelernt und reflektiert werden – eine wichtige Aufgabe von Lehrpersonen!

Ähnlich wie bei der Kollaboration verhält es sich mit der Kommunikation. Zuallererst muss diese echt sein; Rollenspiele und der Morgenkreis oder Unterrichtsgespräche sind wichtig, genügen aber nicht. Wenn wir schon digital agieren, warum dann nicht Blogs, Vlogs, Websites, Facebook oder Instagram, meinetwegen auch TikTok? Das erschliesst zwei Übungsfelder gleichzeitig. Erstens; wie gehe ich mit den sogenannt „sozialen“ Medien um, was kann mir dort geschehen, wie kann ich mich schützen? Nicht alleine gelassen, sondern von Lehrpersonen begleitet und betreut.
Zweitens; wie gestalte ich meine Inhalte, was ich zu sagen habe, so, dass ich ein Zielpublikum erreiche? Wer ist überhaupt mein Zielpublikum? Warum immer nur innerhalb der Klasse oder Schule kommunizieren, warum nicht auch ausserhalb?

Kritisches Denken; bevor man sich diesem letzten und anspruchsvollsten Gebiet zuwendet – analog oder digital – sollte man eine Frage klären; halte ich das aus? Bin ich bereit, fast alles in Frage stellen zu lassen – inklusive meines Lehr-Verhaltens, meines Unterrichtes, der Lehrplaninhalte?
Was halte ich aus, wenn Kinder Raum erhalten für kritische, unbequeme Fragen? Stärker noch – wie schaffe ich Vertrauen, damit Kinder überhaupt kritisch hinterfragen? Und wie lernen Kinder, was kritische Auseinandersetzung im Gegensatz zu Jammern und Motzen ist? Oder sind das vielleicht auch kritische Auseinandersetzungen – vielleicht der mühsameren Art?

Will ich diese Reise antraten?

Die Frage von Mitteln und digitalen Werkzeugen rückt in den Hintergrund, wenn man sich diesen Lernfeldern stellt. Medien werden wieder zu dem, was sie eigentlich sind – Medien eben. Computer und Internet werden damit entmystifiziert. Die Vor- und Nachteile der digitalen Werkzeuge und Inhalte werden entlarvt und wieder zu dem gemacht, was sie eigentlich sind; Mittel zum Zweck!

Aber auch die analogen Lerninhalte und Herangehensweise müssen überdacht werden, die Lehrpläne entrümpelt und auf ein verträgliches Minimum reduziert werden. was Schülerinnen und Schüler für ihr Leben wirklich brauchen, erfassen diese sowieso nur in Teilen, nur oberflächlich und auf einer reinen Verwaltungsebene.
Wenn wir uns also trauen, die heranwachsenden Generationen wirklich ernst zu nehmen, ihren Bedürfnissen wirklich Raum zu geben, dann kann auch Digitalisierung gelingen – weil sie eben nicht mehr Selbstzweck ist, sondern ein Umstand, welcher Teil diese Welt ist, der danach ruft, endlich seinen angestammten Platz zu finden.