Digitale Medien beim Fremdsprachenerwerb
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Zahlreiche digitale Angebote zum Sprachenlernen sollen den Unterricht erleichtern. Ob im regulären Fremdsprachenunterricht oder bei der Arbeit mit Geflüchteten. Ein Blick in die Praxis.
25.01.2017 Bundesweit Artikel Pia Behme
Spanisch, Französisch oder Deutsch als Fremdsprache: Monika Heusinger arbeitet schon lange mit digitalen Medien im Fremdsprachenunterricht. Die Lehrerin am Otto Hahn Gymnasium in Saarbrücken zieht Anwendungen vor, die es ihr ermöglichen, die Inhalte selbst zu erstellen und lerngruppenspezifisch aufzubereiten. Ein Beispiel ist die App „Quizlet“: Lehrkräfte können hier Lerneinheiten gestalten und sie den Schülern über das Smartphone bereitstellen. Von Vorteil ist für Heusinger, dass die Materialien ständig verfügbar sind und die Lernautonomie gefördert wird. „Durch Gamifizierung, zum Beispiel die Vergabe von Punkten, kann man die Schüler zusätzlich motivieren“, so Heusinger. Die Lehrerin hat für das Zentrum für Begabungsförderung in Deutschland einen kostenlosen Online-Kurs erstellt, mit dem Lehrkräfte lernen können, Smartphones oder Tablets im Unterricht sinnvoll einzusetzen.
Denn häufig zeigen sich in der fehlenden Medienkompetenz der Lehrkräfte die Grenzen digitaler Lernangebote. Prof. Dr. Ewald Kiel von der Ludwig-Maximilian-Universität München glaubt zwar, dass beispielsweise Rechtschreibprogramme im Fremdsprachenunterricht sinnvoll sein können, aber nur, wenn die Qualifizierung der Lehrerinnen und Lehrer stimmt. Dabei gilt, was für das gesamte digitale Lernen an deutschen Schulen wichtig ist, ob in Mathe, Deutsch oder anderen Sprachen: „Lehrer müssen geschult werden, um solche Medien unterstützend im Unterricht einsetzen zu können.“
Digitale Medien in Willkommensklassen
Stimmt die Ausbildung der Lehrkräfte, können Lernprogramme besonders heterogene Klassen unterstützen. Im vergangenen Schuljahr wurden deutschlandweit 300.000 neu zugewanderte Kinder eingeschult. Viele davon sind aus ihrem Heimatland geflüchtet und lernen in sogenannten Willkommens- bzw. Sprachlernklassen Deutsch. „Zur Kommunikation mit Flüchtlingskindern sind Wörterbuch-Apps oder Übersetzungsanwendungen hilfreich“, sagt Monika Heusinger. Seit an ihrer Schule Flüchtlingskinder aufgenommen wurden, ist die Spanischlehrerin auch im Förderunterricht für Deutsch als Fremdsprache (DaF) eingesetzt. „Zum Lernen gibt es Angebote im DaF-Bereich, zur Alphabetisierung können Apps aus dem Grundschulbereich gewählt werden.“
Das Goethe-Institut hat beispielsweise ein digitales Bildungspaket für Sprachlernklassen entwickelt, das das Unterrichten von Deutsch als Fremdsprache mit Tablets unterstützen soll. Die Bebilderung und Mehrsprachigkeit solcher Programme hilft Kindern mit Migrationshintergrund dabei, einen ersten deutschen Grundwortschatz zu erlernen. Das erleichtert die Verständigung mit Mitschülern ebenso wie mit Lehrkräften. Doch gerade in Willkommensklassen müsse nicht nur die Medienkompetenz der Lehrkräfte berücksichtigt werden, sondern auch die der Kinder, betont Kiel. „Wir gehen oft davon aus, dass Schüler aus anderen Ländern dieselben digitalen Kompetenzen haben wie wir. Das ist aber keineswegs der Fall.“
In App-Stores werden zahlreiche Programme zum Deutschlernen angeboten, teilweise speziell für Geflüchtete. Die Stiftung Warentest hat zwölf davon getestet, empfiehlt jedoch nur zwei uneingeschränkt: das Lernspiel „Lern Deutsch – Stadt der Wörter“ vom Goethe-Institut und die App „Ankommen“ vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Sie sind weniger für die Verwendung in der Schule gedacht, sondern für das selbstständige Lernen zu Hause.
Individuelles Lernen statt Frontalunterricht
Die unterschiedlichen Ausgangslagen der Lernenden machen das Unterrichten oft schwierig: Kinder verschiedener Altersgruppen, Herkunftssprachen und Bildungshintergründe sollen gleichermaßen mitgenommen und bestenfalls individuell gefördert werden. „In unseren Sprachlernklassen gibt es keinen Frontalunterricht. Jeder bearbeitet seine Aufgaben je nach Leistungsstand“, sagt Anne Krull, Lehrerin an der Ernst-Reuter-Schule in Niedersachsen. Sie und ihre Kollegin Katharina Waldmann sind für eine der zwei Willkommensklassen der Schule verantwortlich. Bisher arbeiten sie in ihrer Sprachlernklasse häufig mit Videos, Filmen und Musik, um den Kindern nicht nur die Sprache, sondern auch die deutsche Kultur zu vermitteln. Individuelles Lernen am Computer oder Tablet ist für ihre Schüler allerdings nicht möglich, da es nur einen PC für alle gibt – und der muss vorab reserviert werden. Die Kinder haben zwar Smartphones, aber nicht jedes einen Internetvertrag. „Leider gibt es an unserer Schule kein WLAN“, sagt Krull. „Übersetzungs-Apps würden die Arbeit erleichtern.“ Die Lehrerin bringt daher immer ihr eigenes Tablet mit in den Unterricht. Gibt es Verständigungsprobleme, sucht sie online nach einem Bild des entsprechenden Wortes oder nutzt ein Übersetzungsprogramm.
Gerade in Lernsituationen, in denen jeder Schüler in seinem eigenen Tempo arbeite, könnten digitale Medien hilfreich sein, meinen Krull und Waldmann. Die Lehrerinnen würden gerne Programme nutzen, die den Schülern eine direkte Rückmeldung ermöglichen. „Sie müssten dann nicht mehr warten, bis ich Zeit habe“, so Waldmann. „Ob das Verb richtig konjugiert wurde oder nicht, das erkennt auch eine App.“
Kein Ersatz für Sprachkurse
Trotz aller Vorteile, die digitale Angebote bieten: Sie ersetzen weder den Fremdsprachenunterricht noch den Lehrer. „Lehrkräfte und Didaktisierung bleiben das Wesentliche im Unterricht“, meint Heinz-Elmar Tenorth, emeritierter Professor für Historische Erziehungswissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. „Ich glaube nicht, dass der Erwerb von Sprachkompetenz durch digitale Medien grundsätzlich anders strukturiert wird“, so Tenorth. Sie würden zwar bessere Übungsmöglichkeiten bieten. Aber Schreiben, Lesen, Sätze formulieren und mit Sprache umgehen müsse weiterhin elementar erlernt werden. Der Meinung ist auch DaF-Lehrerin Katharina Waldmann: „Digitale Lernprogramme sind sinnvoll, wenn es ums Üben und Vertiefen geht. Aber sie ersetzen nicht den Gesprächspartner.“ Wer sich eine Fremdsprache angeeignet habe, wisse, dass reine Grammatikkenntnisse niemanden zu einem flüssigen Sprecher machten. Sprache bestehe aus vielen feinen Nuancen und übertrage neben reinen Informationen auch kulturelle Traditionen und Werte. Für Waldmann ist klar: „Sie zu vermitteln, geht nur mit menschlichen Lehrkräften.“
Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Überblicksartikel zum Digitalen Lernen.
Auf der didacta 2017 in Stuttgart spricht Monika Heusinger über den Einsatz von Tablets, Smartphones und Apps im Fremdsprachenunterricht:
Forum Unterrichtspraxis
Tablets, Smartphones und Apps im Fremdsprachenunterricht sinnvoll einsetzen
Referentinnen:
- Monika Heusinger, Fachleiterin für das Fach Spanisch am Otto Hahn Gymnasium in Saarbrücken sowie am Staatl. Studienseminar des Saarlandes
- Dr. Elke Höfler, Fach- und Mediendidaktikerin an der Universität Graz
18. Februar 2017
12:00 bis 13:00 Uhr
Halle 1, Stand 1E72
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.
Schule/Hochschule
Forum Bildung
Podium: DigitalPakt#D: Beginnt damit die Zukunft der Schule?
Darüber diskutieren:
- Norbert Brugger, Dezernent Städtetag Baden-Württemberg
- Wilmar Diepgrond, Vorsitzender Verband Bildungsmedien e. V.
- Udo Michallik, Generalsekretär der Kultusministerkonferenz
- Harald Willert, Stellvertretender Vorsitzender des Allgemeinen Schulleitungsverbandes Deutschland e. V. (ASD)
- Michael Zieher, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg
- Matthias Graf von Kielmansegg, Bundesministerium für Bildung und Forschung
14. Februar 2017
16:00 bis 17:15 Uhr
Halle 1, Stand H71
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.
Forum Bildung
Podium: Welche Kompetenzen brauchen unsere Schülerinnen und Schüler im digitalen Zeitalter?
Darüber diskutieren:
- Prof. Dr. Joachim Kahlert, Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Psychologie und Pädagogik
- Bernd Sibler, Staatssekretär für Wissenschaft und Kunst Bayern
- Philippe Wampfler, Lehrer für Deutsch, Philosophie und Medienkunde am Gymnasium Wettingen (Schweiz), Dozent für Fachdidaktik Deutsch an der Universität Zürich, Autor und Blogger
- Prof. Dr. Eckhard Klieme, Direktor Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF)
17. Februar 2017
10:45 – 12:00 Uhr
Halle 1, Stand H71
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.
Forum Bildung
Generation „Social Media“: Wie verändert die digitale Kommunikation der Jugendlichen die Schule?
Philippe Wampfler, Lehrer für Deutsch, Philosophie und Medienkunde am Gymnasium Wettingen (Schweiz), Dozent für Fachdidaktik Deutsch an der Universität Zürich, Autor und Blogger
17. Februar 2017
13:30 – 14:45 Uhr
Halle 1, Stand H71
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.
Berufliche Bildung/Qualifizierung
Forum Berufliche Bildung
Podium: Fit für den Beruf: Schule im Zeitalter der Digitalisierung
Darüber diskutieren:
- Dr. Susanne Eisenmann, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg
- Michael Futterer, stellvertretender GEW-Landesvorsitzender
- OStD Eugen Straubinger, Bundesvorsitzender Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen e. V.
- Rainer Lupschina, Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen
15. Februar 2017
12:15 – 13:15 Uhr
Halle 6, D32
Veranstalter: Didacta Verband der Bildungswirtschaft/Verband Bildungsmedien e. V.
Forum Berufliche Bildung
Digitalisierung und Berufsbildung 4.0
Josef Buschbacher, GF Smadias – Deutsche Ausbilderakademie, Geschäftsführer der Corporate Learning & Change GmbH, Herau
17. Februar 2017
14:30 bis 15:30 Uhr
Halle 6, Stand D32
Veranstalter: Didacta Verband der Bildungswirtschaft/Verband Bildungsmedien e. V.
Nähere Informationen zu den Veranstaltungen der didacta 2017 finden Sie unter www.messe-stuttgart.de/didacta.
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Der Themendienst im Überblick: Weitere Artikel und Interviews zur didacta 2017 finden Sie in unserem Dossier.